Preview von Tim Herrmann (mail) | 18.05.2011
Wii MotionPlus ist gescheitert. Und nimmt den gleichen Weg wie schon so viele Zubehöre auf allen Konsolen vor ihm, die das System neu beleben sollten, aber über mangelnde Software-Unterstützung gestolpert sind. Genau drei Titel sind bis heute exklusiv für den 1:1-Sensor erschienen. Wii Sports Resort war sicherlich ein Hit im Einzelhandel, doch weder FlingSmash noch Red Steel 2 schafften es, die 500.000er-Marke zu knacken. Vor allem Nintendo selbst hat sein Wii-FB-Upgrade nicht genügend unterstützt – 2011 wird das aber anscheinend nachgeholt, ein Jahr bevor die Nachfolgekonsole erscheint. Der leuchtende Heilsbringer soll The Legend of Zelda – Skyward Sword werden, doch erst vor wenigen Wochen kündigte Nintendo noch einen weiteren Exklusivtitel für Wii MotionPlus bzw. die Wii-Fernbedienung Plus an: Wii Play Motion.
„Naja, eine neue Minispielsammlung, um das Sommerloch zu füllen“, dachte man sich und glaubte an einen Versuch, noch schnell ein paar Wii-Fernbedienungen mit einer starken Software-Marke loszuwerden. Doch jetzt hatten wir in Hamburg die Gelegenheit, den Titel ausführlich anzuspielen, und können sagen: Schade, dass es mit Wii MotionPlus nicht anders gelaufen ist. Denn es bringt scheinbar ganz simplen Minispielsammlungen so einiges!

Zwölf statt Neun
Wii Play Motion bietet zwölf Minispiele an, die meist wiederum noch in unterschiedliche Spielmodi und Levels unterteilt sind. Das ist nicht so viel Inhalt, wie Wii Party geboten hat, aber erstens genauso viel wie in Wii Sports Resort und zweitens immerhin mehr als Wii Play mit seinen neun Spielchen. Und seien wir mal ehrlich: Mehr als eine Tech-Demo war Wii Play damals wirklich nicht. Wie funktioniert der Pointer, was kann man mit den Bewegungssensoren alles Tolles anstellen? Viel Raffinesse steckte nicht hinter den Ultra-Einsteiger-Minispielen und auch wenn Titel wie die Panzerkiste oder das Mii-Getümmel gewisses Suchtpotential bargen, landete das Spiel wegen seiner Oberflächlichkeit schnell wieder im Regal.
Wii Play Motion merkt man dagegen schnell an, dass Nintendo fünf Jahre hinter sich hat, in denen es mit Wii Sports (Resort), Wii Party oder Wii Fit (Plus) viele Erfahrungen sammeln konnte. Die Spielideen sind in Wii Play Motion reichhaltiger, vielfältiger, überraschender und variieren bei der Komplexität angenehm zwischen „schimpansenkompatibel“ und „Herausforderung“.
Wie bei jeder Minispielsammlung findet man schnell seine ganz eigenen Favoriten und legt andere Kandidaten zur Seite. In dieser Vorschau sollen natürlich hauptsächlich die Partyknaller aufegührt werden: Dazu gehört ein Minispiel, in dem ihr den Controller um euch herum im Raum bewegt, während aus dem Lautsprecher ein leichtes Knistern und Piepen zu hören ist. Dieses Knistern signalisiert, wie nah ihr an einem Geist dran seid, der sich irgendwo unsichtbar in der gruseligen Gegend versteckt: Ist der Controller in genau der richtigen Position angekommen, piept die Wiimote gruselig und ihr könnt die verlorene Seele einfangen und in eine Kiste verbannen. In der Gruppe müssen die Mitspieler manchmal dabei helfen, besonders dicke und widerspenstige Brocken durch geschickte Bewegungen zum Aufgeben zu zwingen. Das Minispiel funktioniert sehr gut und erfordert eine gut ausbalancierte Mischung aus spielerischem Feingefühl und stupidem, wildem Herumprobieren. Und zu guter letzt sehen seine Spieler in Aktion natürlich auch herrlich bekloppt aus.
Ebenfalls gut gelungen ist der Whack-A-Mole-Verschnitt, bei dem ihr Maulwürfen eine Lektion erteilt, die euch süße Früchtchen mopsen wollen oder es allgemein wagen, sich vor den Hammer zu begeben. Der Controller erkennt genau, wohin ihr den Hammer bewegt, und kloppt den kleinen Viechern auf die Rübe. Aber Vorsicht, denn Miis geben natürlich 20 satte Minuspunkte, weswegen wildes Rumkloppen auch eher zur Punktzahl 0 als zum Sieg führt. Sehr simpel, sehr funktional - die Mischung, aus der echte Partyknaller entstehen. Das gilt auch für die Schießspiele, die im Vergleich zum Vorgänger drastisch aufgewertet und durch neue Umgebungen und Settings erweitert wurden. Auch das Mii-Posing klappt mit 1:1-Steuerung deutlich besser – hier müsst ihr euer Mii so drehen und wenden, dass es durch einen Spalt passt.
Und dann gibt es da natürlich noch so süchtig machende Highscore-Games wie Steineflitschen und Regenschirmgleiten, in denen es darum geht, seinem Mitspieler um jeden Preis noch einen Flitscher mehr abzuringen oder beim Regenschirmgleitweitsprung doch noch irgendwie über die 2.000er-Marke zu gleiten. Das Regenschirmspielchen ist übrigens auch ein gutes Beispiel dafür, wie die Minispiele sich teilweise noch in sich selbst unterscheiden: Zum einen kann man versuchen, einen möglichst weiten Sprung von der Rampe hinzulegen, indem man den Regenschirm immer genau im Windstrom für optimale Schubkraft hält, zum anderen lassen sich aber auch Hindernisparcours bestreiten, indem man durch Neigen des Schirmes lenkt. Von der reinen Anzahl „zwölf“ bei den Minispielen sollte man sich also nicht gleich täuschen lassen, denn es steckt schon noch etwas mehr dahinter.
Darüber hinaus gibt es dann noch ein Minispiel, in dem man durch Neigungen des Controllers eine Schatztruhe unbeschädigt nach oben befördern muss, ein Spielchen, in dem es um die Bewältigung eines luftigen Hindernisparcours geht, und einen Stapelwettbewerb, der zwar dank riesiger Eiskugeltürme köstlich aussieht, spielerisch aber nicht sonderlich gehaltvoll ist. Noch einmal: Wie bei jeder Minispielsammlung besteht auch Wii Play Motion nicht nur aus Meilensteinen der Spielegeschichte.
Unaufdringliche Präzision
Viele standen Wii MotionPlus stets skeptisch gegenüber: Sie waren zufrieden mit dem relativ unkomplizierten Schütteln und wollten gar nicht, dass jede ihrer Bewegungen penibel interpretiert und in Punkte umgewandelt wird. Besonders bei Wii Play Motion stand dieser Gedanke im Vordergrund, schließlich kann man eine Minispielsammlung schnell töten, wenn die Software ständig über die Ungenauigkeit des Spielers schimpft.
Doch auch hier ist den Entwicklern (Nintendo hat die Entwicklung der einzelnen Spiele gezielt in unterschiedliche kreative Studios ausgelagert) ein guter Spagat gelungen. Einerseits ist der Vorteil durch die neue Präzision unverkennbar: Der Großteil der Spiele wäre mit der herkömmlichen Wii-Fernbedienung gar nicht möglich gewesen. Das Geisterfangen klappt nur dadurch, dass die Position des Controllers im Raum immer klar ist, das Gleiten mit dem Regenschirm würde scheitern, wenn die Bewegungen nicht 1:1 umgesetzt würden. Andererseits kommen unerfahrene Spieler notfalls auch damit durch, wenn sie ab und zu etwas ungenauer sind, die Software ist hier nicht penibel genau wie zum Beispiel Sportsimulationen wie Tiger Woods, sie lässt gewisse Freiheiten und interpretiert oft gutmütig.
Fazit: Womöglich kommt Wii Play Motion zu spät, womöglich hätte es schon 2009 erscheinen müssen, um die Verbreitung von Wii MotionPlus zu unterstützen, womöglich ist es wirklich nur zurückgehalten worden, um das Sommerloch 2011 zu stopfen, aber was soll’s. Wii Play Motion macht Anstalten, die beste Partyspielsammlung auf Wii zu werden und sich auf eine Stufe mit seinen zu Unrecht oft schlecht geredeten Vorgängern zu stellen: Die verwendeten Ideen sind zum großen Teil kreativ und innovativ und arbeiten in wunderbarer Symbiose mit den 1:1-Sensoren zusammen, die das Spiel merklich verbessern. In der Gruppe unschlagbar, muss sich jetzt zeigen, was es für Einzelspieler an Motivationen, Anreizen und freispielbaren Inhalten bietet. In jedem Falle können Spieler ihre anfängliche Skepsis beruhigt ablegen und sich auf den 24. Juni 2011 freuen, wenn Wii Play Motion im Bundle mit der roten Wii-Fernbedienung Plus in Europa erscheint.
Von Tim Herrmann
WiiX Wertung |
Prognose Sehr Gut! |
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